Mißverständnisse zwischen Menschen verschiedener Herkunft am Beispiel PaarungsverhaltenQuelle: Paul Watzlawick, "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" Während der letzten Phasen des Zweiten Weltkriegs und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren hielten sich Millionen amerikanischer Soldaten auf ihrem Weg zum europäischen Festland vorübergehend in Großbritannien auf. Dies bot die einmalige Gelegenheit, die Wirkungen einer solchen, für moderne Zeiten ungewöhnlichen Massendurchdringung zweier Kulturformen unmittelbar zu studieren.
Einer der Aspekte dieser Studie war ein Vergleich des
Paarungsverhaltens in den beiden Kulturen. Dabei ergab es sich, daß
sowohl die amerikanischen Soldaten als auch die englischen Mädchen
sich gegenseitig des Mangels an sexuellem Taktgefühl und Zurückhaltung
bezichtigten. Dies schien zunächst sehr merkwürdig, denn wie
konnten beide Seiten dasselbe von der anderen behaupten? Wenn wir nun den typischen Fehler begehen, das Verhalten
des Mädchens in künstlicher Isolierung zu beurteilen, so wird
es uns nicht schwerfallen, eine Art psychiatrischer Diagnose zu stellen:
Bricht sie die Beziehung nach dem ersten Kuß überstürzt
ab und ergreift die Flucht, so könnte dies hysterisch genannt werden;
beginnt sie dagegen, sich auszuziehen, so scheint dies nymphomanisch.
Es kann kaum ausdrücklich genug betont werden, daß es sich
hier und in allen ähnlichen Fällen um Konflikte handelt, die
nicht auf einen der beiden Partner reduziert werden können und dürfen,
sondern die ausschließlich im Wesen der Beziehung liegen. Es ist
typisch für solche Probleme, daß die Partner sie meist nicht
von sich aus lösen können, da ihnen die zwischenpersönliche
Natur des Konflikts verborgen bleibt und sie daher in einem Zustand der
Desinformation leben. Bereits Wittgenstein bemerkte: »Was wir nicht denken
können, das können wir nicht denken; wir können also nicht
sagen, was wir nicht denken können«. Und Laing definiert diese Form
der Desinformation wie folgt : »Wenn ich nicht weiß, daß ich
nicht weiß, glaube ich zu wissen. Wenn ich nicht weiß, daß
ich weiß, glaube ich nicht zu wissen«. |